Ungeklärter Raubmord: Wie der hinkende Bote um sein Holzbein und das Leben kam
Gabriela Schwald, Heimatmuseum Sissach, 10. Februar 2022Der Tenniker Botenknecht Jakob Häfelfinger war am Donnerstag, 11. Mai 1916, mit etwa 2500 Schweizer Franken auf dem Rückweg von Basel, wo er Seidenbänder abgeliefert hatte. Nach einem letzten Zwischenstopp beim «Engel» in Liestal schlief Jakob auf dem Botenwagen ein, was ihm mit 68 Jahren das Leben kosten sollte.
Die Pferde trabten weiter. 400 Meter unterhalb des Schlosses Ebenrain in Sissach wurde der Botenknecht mit einem Holzprügel bewusstlos geschlagen und ausgeplündert. Vom führerlosen Pferdegespann alarmiert, fand die Polizei Jakob mit einer schweren Kopfverletzung im Strassengraben liegen. Er wusste nichts von einem Überfall und glaubte, ein Pferd habe ihn getreten. Wenig später erlag er seiner Kopfverletzung.
Zunächst wurden ein Korbflechter und ein Kesselflicker aus der Ostschweiz der Tat verdächtigt. Dies wurde jedoch durch eine Zeugin widerlegt. Sie hatte zwei Gestalten Baselbieter Dialekt sprechen gehört, die dem Botenwagen gefolgt waren. Weitere Gerüchte machten die Runde, die sich alle als unhaltbar erwiesen. Am 27. Mai schaltete die Polizei deshalb einen Aufruf in der «Volksstimme» – ohne Ergebnis.
Kritik an der Polizei wurde laut bis hin zu einer Aktennotiz betreffs fataler Unterlassung. Die letzten Eintragungen in den Polizeiakten datieren vom 12. Januar 1925. Gut möglich, dass die Polizei die Täterschaft in Gewahrsam oder zumindest im Verdacht hatte, die Beweise aber nicht für eine Überführung ausreichten. So bleibt der Raubmord am Tenniker Boten Jakob Häfelfinger ein ungeklärtes, ungesühntes Verbrechen.
Holzbein im Haus des Bruders gefunden
Im Jahre 1984 wurde bei einer Hausräumung ein besonderer Fund gemacht. Jakob Häfelfinger war wegen eines Unfalls zeitlebens auf eine hölzerne Prothese angewiesen gewesen. Im Haus seines Bruders wurde eben dieses Holzbein entdeckt und im Jahre 2006 dem Heimatmuseum Sissach feierlich übergeben. Nun lagern alle Asservate im Zusammenhang mit dem Mord im Heimatmuseum.
Bei einem Besuch im Museum kann man die Tatwaffe, die Botentasche und das Holzbein bestaunen. Erzählt die Präsidentin bei einer Führung oder vor Ort die Geschichte, läuft manchen Besucherinnen und Besuchern ein Schauer über den Rücken.
Die Sammlung des Heimatmuseums weist zahlreiche und einzigartige Objekte auf wie zum Beispiel die reich verzierten Pulverhörner der Waffensammlung. Ein elektrisch betriebener Bandwebstuhl mit Lochkarten-System und eine kleinere Hand-Bändelmühle werden von der Weberinnengruppe mit viel Leidenschaft und Feingefühl betrieben und unterhalten. Jeweils am 1. Sonntag des Monats (ausser Juli und August) sind die Webstühle in Betrieb.
Bis Juni 2023 wird die Sonderausstellung «Confetti bis Chluri» gezeigt, welche die «Sissecher Fasnecht» in all ihren Facetten erklärt, vom «Glöggeliwaagä» bis hin zur «Chluriverbrennig». Mit dem Ankauf der Waffensammlung im Jahre 1922 wurde der Grundstein für das Museum gelegt, somit steht nächstes Jahr das 100-jährige Jubiläum an. Alle Aktivitäten sind auf www.museum-sissach.ch abrufbar.
Dieser Text erschien als Beitrag der Serie «Hingucker» in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 11.12.2021. Redaktionelle Verantwortung: Hannes Nüsseler