Mixturen für Mensch und Vieh
Urs Kühnis, Stiftung Ortssammlung Gelterkinden, 20. August 2021Es gibt wohl nicht mehr viele Menschen in Gelterkinden, die sich an die wunderschön gearbeitete, mächtige Ladenfront der Drogerie Berger beim Dorfplatz erinnern können. Um 1933 entstanden, diente sie dem jungen Drogisten Hugo Berger als Verkaufsregal für Kräuter, Chemikalien, Pülverchen und Essenzen. Die Einrichtung war irgendwann nicht mehr zeitgemäss, und der ehemalige Besitzer schenkte sie der Stiftung Ortssammlung Gelterkinden. Als Berger (1911–2008) im Alter von 22 Jahren seine Ausbildung zum Drogisten in Basel und Neuenburg abgeschlossen hatte, konsultierte er das Telefon- und das Handelsadressbuch und stellte entzückt fest, dass in Gelterkinden keine Drogerie eingetragen war. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er: «Mein Vater erwarb für mich eine Liegenschaft beim Dorfplatz und liess einen Laden einbauen.» Das Sortiment seiner Drogerie bestand anfänglich aus 1200 Artikeln und wuchs auf 14 000 Artikel (1990). Viele Präparate wurden nach Rezepturen aus Fachbüchern hergestellt, etwa Salben und Mixturen für Mensch und Vieh. Drogisten standen teilweise in Konkurrenz zu den Apotheken. «Irgendein Kopf- oder Zahnwehpulver zu verkaufen, war uns nicht gestattet. Ja, wir durften den Leuten nicht einmal einen Tee mischen.» Bussen wegen der Vergehen gegen die schikanösen Vorschriften waren an der Tagesordnung. Berger setzte sich auf gesamtschweizerischer Ebene für seinen Stand ein und gemeinsam erreichte man eine gewisse Lockerung bezüglich des Verkaufs von rezeptfreien Medizinalprodukten.
Gegen Grossverteiler wächst kein Kraut
Die Blütejahre der Drogerien dauerten bis etwa in die 1980er- Jahre. Immer mehr typische Drogerieartikel (Gesundheit, Kosmetik,
Reinigung, Sanität, Naturheilmittel) gelangten jedoch in das Sortiment der Grossverteiler, bis selbst einfache Medizinalprodukte in den Regalen von Migros
und Coop vorhanden waren. Das breite Sortiment eines Drogeriefachgeschäfts war nicht mehr konkurrenzfähig. Ein Drogeriegeschäft ums andere musste schliessen. Von den drei Drogerien, die es in Gelterkinden 2010 noch gab, existiert keine mehr. Eine Drogerie Berger, geführt von Nachkommen des Gründers, gibt es heute noch in Sissach. Hugo Berger vergoss sein Herzblut noch in eine weitere Unternehmung: die Familienherbergen. Die Genossenschaft FH ermöglichte in der Nachkriegszeit bis Ende des letzten Jahrhunderts Familien aus bescheidenen Verhältnissen Ferien in der Schweiz. Das Pionierwerk scheiterte schliesslich aus wirtschaftlichen Gründen. Die Stiftung Ortssammlung Gelterkinden verfügt über mehrere tausend historische Objekte, Kunstwerke, Fotos und Dokumente mit Bezug zu Gelterkinden und organisiert regelmässig Ausstellungen. Das grösste Objekt der «Sammlung» ist das Jundt-Huus. Geplant ist, dass im kommenden Jahr das Depot im Werkhof Fääli in ein Schaudepot verwandelt wird. www.osgelterkinden.ch.
Dieser Text erschien als Beitrag der Serie «Hingucker» in der Basellandschaftlichen Zeitung. Redaktionelle Verantwortung: Hannes Nüsseler