Kampf (und Kämpf) gegen das Vergessen
Ricarda Gerosa, Archiv Regionaler Künstler*innen-Nachlässe, 19. Mai 20212019 wurde im neuen Kleinbasler Erlenmattquartier der Max Kämpf-Platz eingeweiht – ein sichtbares, Stein gewordenes Zeichen der Wertschätzung, das die Stadt Basel einem ihrer populärsten Künstler des 20. Jahrhunderts entgegenbringt. Dennoch ist der Name Max Kämpf einer jüngeren Bevölkerung kaum mehr geläufig, wohl nicht einmal den Basler Studierenden der Kunstgeschichte. Und überhaupt, wo gibt es denn einen «Kämpf» zu sehen? Allerdings haben es die meisten Kunstschaffenden der Region Basel noch schwieriger, mit ihrem Schaffen oder wenigstens ihrem Namen in der kollektiven Erinnerung zu bleiben – Namensgeber eines Platzes oder einer Strasse werden jedenfalls die Wenigsten.
Gegen dieses Vergessen wurde 2019 der Verein ARK Basel gegründet, welcher 2020 seine Zelte in der Zentrale Pratteln aufgeschlagen hat. Das Archiv Regionaler Künstler*innen-Nachlässe nimmt sich den Kernnachlässen bedeutender Künstler*innen der Region Basel an und versucht das regionale Kunsterbe vor dem Vergessen zu bewahren und mit wissenschaftlicher Aufarbeitung und öffentlichen Ausstellungen lebendig zu erhalten. Seither wird ARK Basel mit Übernahmeanfragen regelrecht überflutet: Nach einem Jahr lagern bereits 12 Nachlässe im Pratteler Archiv.
Nach der Eröffnungsausstellung im August 2020 arbeitet das Ausstellungsteam von ARK Basel nun mit Hochdruck an der zweiten Ausstellung, die – sofern es Corona zulässt – am 2. September 2021 ihre Tore öffnen wird. Die Ausstellung ist dem Nachlass von Max Kämpf gewidmet, der bereits vor einem Jahr nach Pratteln gekommen ist und über 8000 Zeichnungen, aber nur wenige Bilder und Fresken enthält.
Wie aber geht es mit einem Nachlass weiter, wenn er im Pratteler Archiv angekommen ist? Diesen Vorgängen ist seit März auch eine Lehrveranstaltung des kunsthistorischen Seminars der Uni Basel auf der Spur. Die Studierenden schauen dem ARK Basel-Team bei der Archivierung und Nachlassbearbeitung über die Schulter und haben die Gelegenheit, gleich selbst Hand anzulegen – angewandte Kunstgeschichte, sozusagen. In einem ersten Schritt geht es darum, die Werkbestände zu sichten und in verschiedene Kategorien zu gliedern. Lediglich die herausragendsten, aussagekräftigsten und zeitgeschichtlich relevantesten Werke eines Nachlasses können als sogenanntes Kernkonvolut museal aufbewahrt werden. Der übrige Nachlassbestand – die grosse Menge an repräsentativen Arbeiten einer Künstler*in – gibt ARK Basel zu günstigen Preisen an Liebhaber weiter, da eingelagerte und weggesperrte Kunst niemandem etwas bringt. Diese «Verwertung» von Nachlässen ist Teil des Konzepts und dient dem Lebendighalten des regionalen Kunsterbes ebenso wie der Finanzierung des Archivs. Nachdem die wichtigsten Werke bestimmt sind, geht’s ans Erschliessen und Inventarisieren, damit die Bestände jederzeit für Interessierte, Forschung und Öffentlichkeit zugänglich sind. Beim Inventarisieren haben sich die Studierenden ins Zeug gelegt und bislang an die 100 Zeichnungen in der öffentlich zugänglichen Datenbank erfasst. Für viele ist es das erste Mal, dass sie während des Studiums überhaupt mit Originalen arbeiten können. Dabei ist die Auseinandersetzung mit Originalen immer aufschlussreich, da sie fast automatisch in eine wissenschaftliche Aufarbeitung mündet. Tatsächlich fliessen die Themen, die von den Studierenden erarbeitet wurden, nun auch in die inhaltliche Konzeption der Ausstellung mit ein.
So haben bereits die Vorbereitungen zur Max Kämpf-Ausstellung dem Namensgeber des neuen Kleinbasler Quartierplatzes in den Köpfen der Studierenden zu definierteren Konturen verholfen. Das breite Publikum wird im September die Gelegenheit haben, die Erinnerung an das Stadtoriginal aufzufrischen oder den Maler und Zeichner gar neu zu entdecken. Die Fülle der nachgelassenen Materialien verspricht durchaus Überraschungen und ist zweifelsohne in der Lage, das gängige Bild des (allzu-) bekannten Basler Künstlers zu bereichern, vielleicht sogar zu revidieren und jedenfalls eine kritische Auseinandersetzung zu lancieren.